Mit großen Erwartungen starteten die beiden Uttendorfer in den dritten Turniertag in Deizisau. Nur wenige Plätze trennten sie vom begehrten Brett im Hauptsaal. Ein Sieg in der vierten Runde und die Sonne würde scheinen wie noch nie am Neckar.
Theussl Manfred spielte (mit Weiß) gegen Grandadam Nicolas (ELO 2232). Nach 1. e4 - c5, 2. Sf3 - a6 :-) wurden in Manfred schon scherzhafte Erinnerungen wach. So spielt in Vereinsturnieren ab und an unser allseits geschätzer Günter Hahn - vorzugsweise dann, wenn er jemanden zertrümmern will (und wir wissen - er will meistens). Konnte es sein, dass dieser junge Knabe mit den schwarzen Steinen ähnliches mit Manfred vor hatte? War diesem aufstrebenden Jungtalent überhaupt bewusst, dass er einem ausgewachsenen Deutschprofessor gegenüber saß? Da kann man doch nicht einfach drauf los prügeln? Kann man nicht - richtig, und so wählte Grandadam einen ruhigen, unauffälligen Weg zum Sieg. Ein paar Tauschtransaktionen hier, ein paar Drohungen die zu kleineren und größeren Stellungsschwächen führen dort. Ein gut gemeintes Remisangebot von Manfred wurde charmant aber bestimmt abgelehnt. Dann wurden erste handfeste Vorteile (sprich ein Bauer) realisiert. Und während Manfred immer noch ein Remis im Bereich des Möglichen sah, opferte Grandadam eine Qualität, um danach mit einem Bauern unaufhaltsam Richtung Dame zu ziehen. Wie gut, dass es am Nachmittag eine weitere Chance auf Ruhm und Ehre gibt.
Lamberger Werner (mit Weiß) erkannte im Rahmen umfangreicher Vorbereitungsaktivitäten, dass der Viertrundengegner, Maurer Jochen (ELO 2215) ein potentieller Kandidat für Königsindisch mit Lg5 sein würde. Da dieses System in vielen Trainingsstunden mit IM Georg Danner bis in die entlegensten Details trickreicher Varianten und Abspiele auf dem Programm stand, war Werner guter Dinge. Der Plan in wenigen Worte: Werner zögert die Rochade hinaus, um mit einigen Tempi Vorsprung am Damenflügel aktiv zu werden. Zudem hindert der Läufer auf g5 den schwarzen Königsangriff entscheidend. Die Partie hätte eigentlich gar nicht mehr gespielt werden müssen - es konnte nur ein Ergebnis geben. Bei Zug 15 machte Werner eine kurze Zwischenbilanz und musste sich eingestehen - Maurer war hochgradig unkooperativ wodurch von Werner's Plan nur ein Teil umgesetzt worden war: der weiße König war nach wie vor unrochiert. Von einem Angriff am Damenflügel war hingegen nichts zu erkennen, und der verzögerte Königsangriff von Schwarz war kurz vor dem Durchbruch. In dieser Stellung entschied sich Maurer interessanter Weise für einen Generalabtausch und den Übergang ins Endspiel (Weiß: Turm, Springer und sieben Bauern, Schwarz: Turm, Läufer und sieben Bauern). Ein Remisangebot Werner's brachte aufgrund unterschiedlicher Stellungseinschätzungen der beiden Spieler nicht das gewünschte friedliche Partieende. Und auch die extreme Zeitnot von Maurer (bei Zug 40 waren noch 8 Sekunden auf der Uhr) brachten keine Vorteile für Werner. Im Gegenteil, die Stellung wurde mit jedem Zug komplizierter - solange, bis letztlich der erste weiße Bauer das Handtuch warf (der kleine Feigling auf e4). Werner's Gegenspiel war leider nicht mehr als ein Strohfeuer, Bauer um Bauer ging verloren und obwohl in einem wilden abschließenden Hick-Hack auch die schwarzen Reihen deutlich aufgelockert wurden, schaffte es doch einer der schwarzen Landwirte bis zum begehrten Umwandlungsfeld (ironischer Weise war es der e-Bauer, der das Fehlen eines Opponenten schamlos ausnutzte).
Mit null aus zwei war die Ausbeute in Runde 4 also durchaus überschaubar - Mittagessen in der Pizzeria gab es trotzdem :-) - nur die Sonne wollte sich an diesem Tag sicherheitshalber nicht zeigen. Statt dessen begann es um die Mittagszeit leicht zu nieseln.
(Autor: Werner Lamberger)